Henry Steel Olcott
Henry Steel Olcott wuchs in Orange, New Jersey, und in New York auf. Mit 16 arbeitete er in der Landwirtschaft bei seinen Onkeln in Ohio. Sie waren es auch, die in ihm das Interesse an Spiritualität weckten. Zurück in New Jersey schrieb Olcott für ein landwirtschaftliches Magazin, womit seine journalistische Karriere begann. Er verfasste Artikel und Bücher und hielt Vorträge zum Thema Landwirtschaft. Während des amerikanischen Bürgerkrieges wurde er von der Regierung beauftragt, Korruption und Betrug in der Militärverwaltung aufzudecken, später eine Verschwörung gegen Präsident Lincoln. Nach dem Krieg wurde Olcott bei Gericht zugelassen. Er vertrat viele bedeutende Klienten. Gleichzeitig arbeitete er als freier Mitarbeiter für verschiedene New Yorker Zeitungen.
1874 ging der 42jährige Reporter nach Chittenden in Vermont, um über spiritistische Sitzungen, die dort abgehalten wurden zu berichten. Hier traf er Helena Petrowna Blavatsky, welche Olcott wegen seiner Veröffentlichungen kennenlernen wollte. Dieses Treffen wurde zum Wendepunkt in seinem Leben. Er sah sie zum ersten Mal während eines Mittagessens in einem Farmhaus. Sie war eine umwerfende Erscheinung in ihrer roten Garibaldi-Bluse. Olcott flüsterte seinem Tischnachbarn zu: "Mein Gott, sieh Dir diese Frau an". In diesem Moment rollte sich Madame Blavatsky eine Zigarette und Olcott nahm diese Gelegenheit war, in dem er ihr Feuer anbot und sich ihr mit den Worten vorstellte: "Permettez moi, Madame", denn er erkannte, dass sie eine Ausländerin war. Olcott schrieb damals: "Unsere Bekanntschaft begann in Rauch, aber sie zündete ein großes und permanentes Feuer an."
Olcott entwickelte neue Interessen und Sachkenntnisse. Er kam durch Madame Blavatsky in Kontakt mit ihren Lehrern, den "Brüdern", einer Gruppe von geistig hoch entwickelten Menschen, die hinter der Szene arbeiteten, um die menschliche Entwicklung zu fördern. Olcott respektierte diese Lehrer und Wohltäter für die Menschheit in sehr hohem Maße, aber er betete sie niemals an oder betrachtete sie als seine Idole. Stattdessen sprach er immer von ihnen als "die Jungs". Durch ihren Einfluss wurde der Colonel 1875 inspiriert, die Gründung einer Theosophischen Gesellschaft vorzuschlagen.
Im Dezember 1876 fand die erste Einäscherung in den USA statt. Colonel Olcott hatte dem Hochstapler Baron de Palm versprochen, für sein Begräbnis zu sorgen. So ließ er alle seine Verbindungen spielen und sorgte mit der Ausrichtung des "pagan" für riesige Publicity. Alle Zeitungen beschrieben das Begräbnis als eine heidnische Extravaganz wegen der ägyptischen Gewänder der Hauptteilnehmer, der orphischen Musik und der Grabreden über Karma und die Ziele der Theosophischen Gesellschaft. In mehr als 7000 Artikeln in Amerika und Europa wurde über das Ereignis selbst und über die Theosophischen Ansichten berichtet.
Ende 1878 zogen die Gründer der Gesellschaft, Frau Blavatsky und Henry Steel Olcott nach Indien. Vor der Übersiedlung nach Indien wurde Theosophie so gesehen, wie sie in HPBs Werk von 1877 "Die entschleierte Isis" dargestellt wurde: eine angemessene Ausgewogenheit zwischen der westlichen und der östlichen Spiritualität. Nach der Ankunft der Beiden wurde Theosophie immer indischer. Olcott war mit beiden Darstellungen eng verbunden.
Er ist allgemein bekannt als ein organisierender und aufbauender Mensch. Der Gründerpräsident der Theosophischen Gesellschaft war aber auch ein begnadeter Redner und Autor von Werken über theosophische Themen. Er wurde von den Indern sehr respektiert wegen seiner Weisheit und seiner Reden, ganz besonders, da er aus dem Westen kam und doch die Weisheit des Ostens verstand.
1880 besuchten Blavatsky und Olcott zum ersten Mal Sri Lanka, wo sie ein "Pancha Sila" nahmen, als Grundlage für den buddhistischen Glauben, den sie beide annahmen. Olcott's Arbeiten über Buddhismus wurden in allen buddhistischen Schulen übernommen. Aus diesem Grunde schrieb er eine Darstellung, um die 14 fundamentalen buddhistischen Prinzipien zu erläutern. Er überzeugte auch die Repräsentanten der Schulen in Süd- und Nordindien, diese 14 Punkte als Darstellung des buddhistischen Glaubens zu akzeptieren. 1880 arbeitete er am Aufbau einer buddhistischen Schule in Sri Lanka. Er schrieb und veröffentlichte den buddhistischen Katechismus in Englisch und Singhalesisch und intervenierte erfolgreich bei der britischen Regierung in London für die zivilen und religiösen Rechte der Singhalesen.
Olcott setzte sein Theosophisches Verständnis aber auch für den Zoroastrismus, den Islam, den Hinduismus und das Judentum ein. In jedem Fall erkannte er die religiösen Traditionen als unterschiedliche äußere Darstellungen der immer gleichen Lehren, welche Theosophie ist.
1882 begann Olcott mit seinen hypnotischen Heilungen. Er behandelte Tausende von Menschen und heilte Blinde, Gelähmte, Taubstumme und viele mit den unterschiedlichsten physischen und mentalen Krankheiten. Er tat dies, da er dazu in der Lage war und weil es die Nachfrage dafür gab, die er befriedigen wollte.
1882 eröffneten Olcott und Blavatsky das Hauptquartier der Theosophischen Gesellschaft in Adyar, Madras, dem heutigen Chennai. Olcott gründete die Bibliothek in Adyar, die eine der wichtigsten Aufbewahrungsstätten für altertümliche Sanskrite und andere Schriften werden sollte.
Olcott war auch ein sehr beliebter Redner. Er war bekannt für seine Klarheit, seine Einfachheit und seine Ernsthaftigkeit. Alle, die ihm zuhörten, erkannten, dass er wusste, von was und über was er sprach, dass er mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele an die großen Wahrheiten glaubte, die uns die heiligen Lehrer von Indien vorgaben und deren einzige Ambition es war, so viel Gutes zu tun, wie ihm möglich war. Colonel Olcott wurde als Buddhist unter Buddhisten anerkannt, als Bramahne unter den Hindus, als ein Gelehrter im mystischen Zoroastrismus unter den Parsis und als ein Mensch aus dem Westen, der die Lehren Christus lebte und nicht nur predigte.
Er bereiste ganz Indien, Sri Lanka, Asien bis China und Japan, Australien und Neuseeland, ganz Westeuropa, die Vereinigten Staaten und Südamerika.
Auf einer Rückreise von Amerika hatte er einen Unfall auf dem Schiff. Er starb daran bald nach seiner Ankunft in Adyar.
Seine letzte Nachricht ist ein sehr bewegender Ausdruck über die Werte, die sein Leben motivierten:
"An alle meine geliebten Brüder in ihren physischen Körpern. Ich verabschiede mich von Euch. In Erinnerung an mich arbeitet weiter an diesem großen Werk, indem ihr die Bruderschaft aller Religionen erkundet und lebt.
An alle meine Brüder auf der höheren Ebene: Ich grüße Euch und ich komme zu Euch, und ich flehe Euch an, mir zu helfen, damit ich allen Menschen auf dieser Erde vermitteln kann, dass keine Religion größer ist als die Wahrheit, und dass in der Bruderschaft der Religionen Frieden und Fortschritt für die Menschheit liegen."
Auszug aus einem Vortrag von Prof. Dr. John Algeo