Helena Petrowna Blavatsky
Helena Petrowna Blavatsky wurde 1831 in Südrussland als Helena von Hahn geboren. Ihr Vater war ein deutschstämmiger Oberst und ihre Mutter stammte aus einem russischen Fürstenhaus. Da die Mutter früh verstorben war, wuchs sie bei ihrer Großmutter auf.
Helena war ein eigenwilliges, aufsässiges Kind mit einer angeborenen psychischen Fähigkeit, womit sie die Menschen um sich herum verblüffte. Sie hatte Begegnungen auf feinstofflichen Ebenen. Ihrer gesellschaftlichen Stellung entsprechend erhielt sie eine ausgezeichnete Erziehung. Sie lernte Fremdsprachen, erhielt Musikunterricht und wurde mit den Naturwissenschaften vertraut gemacht.
Aus Opposition zu ihrer Familie heiratete sie mit 18 Jahren den 60jährigen Nikifor Blavatsky, den Vizegouverneur von Eriwan. Schon nach wenigen Monaten floh sie aus dieser Ehe nach England. Von nun an war sie mit nur kurzen Unterbrechungen ständig auf Reisen durch die ganze Welt. Ihr Vater unterstützte sie finanziell, so dass sie dadurch die existenzielle Lebensgrundlage hatte. Es hat in ihrem Leben aber auch Zeiten gegeben, wo sie mit Klavierkonzerten in London und später in New York mit Heimarbeit, mit der Herstellung von künstlichen Blumen, ihren Lebensunterhalt bestreiten musste.
Mit 20 Jahren begegnete ihr in London zum ersten Mal ein indischer Eingeweihter, der ihr spiritueller Meister wurde. Von da an hatte ihr Leben einen Sinn und ein Ziel bekommen.
Nach verschiedenen Reisen durch Süd- und Nordamerika kam Frau Blavatsky 1855 über Kaschmir und Ladakh nach Tibet. Sie hatte 1853 schon einmal vergeblich versucht, dorthin zu gelangen. Hier erhielt sie durch den Meister eine umfassende okkulte Schulung. Sie studierte in verschiedenen Klöstern die geheimen spirituellen Lehren, die dort seit vielen Generationen bekannt sind.
Im Jahre 1858 kehrte sie nach Russland zurück und verbrachte einige Jahre bei ihren Verwandten im Kaukasus. In dieser Zeit erlebte sie eine physische und psychische Krise, aus der sie als eine gefestigte Persönlichkeit hervorging, die ihre okkulten Kräfte und Fähigkeiten beherrschen konnte.
Nachdem sie 1863 Russland wieder verließ, unternahm sie ausgedehnte Reisen durch den Balkan, durch Ägypten, Syrien und Italien. 1868 reiste sie noch einmal zu dem Meister nach Indien und Tibet. Über Griechenland, Palästina, den Libanon und Odessa kam sie dann nach Paris.
Auf Anraten ihres Meisters ging sie 1873 nach New York. Hier begann ihr öffentliches Wirken. Nachdem sie mit Oberst Henry Steel Olcott und William Quan Judge zusammen getroffen war, gründeten sie gemeinsam die "Theosophische Gesellschaft". Diese sollte eine Möglichkeit bieten, die theosophische Lehre zu verbreiten.
Anschließend an die Gründung der Gesellschaft vollendete Frau Blavatsky 1877 ihr erstes wichtiges Werk, die "Isis entschleiert", und 1888 erschien die umfassende "Geheimlehre". Letztere beinhaltet die Kosmogenesis und die Anthropogenesis.
1882 hatte Frau Blavatsky den Hauptsitz der Theosophischen Gesellschaft von Amerika nach Adyar bei Madras in Indien verlegt. Hier hat sie dann mehrere Jahre gelebt und gewirkt. Nach einer schweren Erkrankung verließ sie Indien und lebte in Europa, in ihren letzten Lebensjahren vor allem in London. Am 8. Mai 1891 starb sie dort während einer Grippe-Epidemie.
Ihren Schülern hinterließ sie folgende Leitsätze, die "Die goldenen Stufen" genannt werden:
"Haltet euch die Wahrheit vor Augen: Reines Leben, offener Sinn, lauteres Herz, reger Verstand, ungetrübter geistiger Blick, brüderliche Liebe für seine Mitschüler; Bereitwilligkeit, Rat und Belehrung zu geben und zu empfangen; treues Pflichtgefühl zu dem Lehrer, williger Gehorsam zu den Geboten der WAHRHEIT, sobald wir unser Vertrauen in den Lehrer gesetzt haben und glauben, dass er im Besitz der Wahrheit ist; mutiges Ertragen persönlicher Ungerechtigkeit, beherztes Sich-Bekennen zu den Grundsätzen, tapferes Verteidigen der ungerecht Angegriffenen und den Blick unverwandt gerichtet auf das Ideal menschlichen Fortschritts und menschlicher Vervollkommnung, wie es das geheime Wissen (Gupta Vidya) beschreibt - Das sind die goldenen Stufen, die der Lernende erklimmen möge, um einzugehen in den Tempel der göttlichen Weisheit."
Da Frau Blavatsky auf ihren vielen Reisen die Überlieferungen und die Religionen der Eingeborenen und die alten Kulturen studiert hatte, war sie glaubwürdig in allem, was sie schrieb und lehrte. Sie wurde trotzdem von verschiedenen Seiten angegriffen. Man warf ihr Manipulationen vor, die aber alle als unhaltbar bewiesen werden konnten. Andere Menschen störten sich an ihrer manchmal auftretenden Unausgeglichenheit. Ihr Meister hat einmal erklärt, dass HPB zu der Zeit die einzige Person gewesen sei, die die für diese gewaltige Aufgabe geeigneten Voraussetzungen besaß, denn sie hatte ein ungeheures Wissen, hatte eine ausgeprägte Zielstrebigkeit, einen starken Arbeitswillen und große seelische Stärke.
Im 1. und 2. Band der Geheimlehre, der Kosmogenesis und der Anthropogenesis, veröffentlichte Helena Petrowna Blavatsky Teile des "Buch des Dzyan" und kommentierte diese. Dieses Buch ist wohl das älteste, der Menschheit erhalten gebliebene Buch geheimen Wissens. Sie soll es in Tibet studiert haben. Der Tibetologe David Reigle konnte eindeutig klären, dass dieses "Buch des Dzyan" existiert. Es soll ein Teil der Bücher der "Kiu-te" sein, wahrscheinlich aber auch der 5. und esoterische Teil des Kalachakra-Tantra.
HPB, wie Frau Blavatsky im Zusammenhang mit ihren Lehren und ihrem gemeinsamen Wirken mit dem Meister genannt wird, setzte die einzelnen Strophen des "Buch des Dzyan" jeweils an den Anfang eines Kapitels ihres 1. und 2. Bandes, erläuterte sie dann und verglich sie mit den Überlieferungen der verschiedenen Völker. Dabei erkennt man, dass die Theosophie der Geheimlehre das Urwissen der Menschheit enthält. Es ist das geheime Wissen der Mysterienschulen und Geheimgesellschaften der vergangenen Zeiten, das durch HPB erst öffentlich bekannt gemacht worden ist, und das jetzt jedem zugänglich ist. Doch nicht jeder, der es lesen kann, kann es auch verstehen, und dadurch entstehen vielen Missverständnisse und Diskriminierungen.
Der Titel "Geheimlehre" gibt oft Anlass zur Kritik. Man vermutet, dass hier Geheimnisse enthalten sind, die nicht offen behandelt werden dürfen und die nur wenigen Eingeweihten bekannt sind. Aber bei der Geheimlehre geschieht genau das Entgegengesetzte. Die Lehren, die bisher nur geheim und verschlüsselt weitergegeben worden sind, oftmals nur mündlich, werden zum ersten Mal umfangreich offenbar gemacht. An der Schwelle des Neuen Zeitalters ist die Zeit reif dafür. Und die Gefahr, dass sie in größerem Maße missbraucht und verunglimpft werden können, ist durch den Inhalt der Geheimlehre selbst sehr gering gehalten. Die Geheimlehre ist nicht ganz leicht zu lesen, ebenso die "Isis entschleiert". Die Aussagen sind oft sehr verstreut zu finden. Das tiefe bedeutende Wissen der alten Kulturen wird in unterschiedlichen Zusammenhängen und nicht immer systematisch aufgebaut, erwähnt. Wenn man fasziniert davon ist, findet man den Weg zu einem großen Mysterium. Wenn man sie nur aus Neugier oder Sensationslust liest, wird man die Geheimlehre sehr schnell wieder aus der Hand legen.
Im Jahre 1984 fand ein Treffen von 17 Wissenschaftlern statt, die sich vom heutigen Erkenntnisstand aus mit der Geheimlehre auseinandersetzten. Der Biophysiker Prof. W.D. McDavid stellte die Kosmogenesis den Erkenntnissen der modernen Astrophysik gegenüber und fand erstaunliche Parallelen. Die schwedische Wissenschaftlerin Elsa-Brita Titchenell fand in der Radioastronomie eine Bestätigung für die Aussage, dass Planeten tönen und man diese Töne eher hören, als die Planeten sehen könne. Dr. Jack Dea kam nach umfangreichen Gegenüberstellungen zur Schlussfolgerung, dass (so wörtlich): "einige der jüngsten wissenschaftlichen Meinungen über Raum, Zeit, Materie, Energie und Felder präsentiert wurden, ebenso wie einige Zitate zu denselben Themen in der Geheimlehre. Der Verfasser muss seine Überraschung eingestehen, wie stark sich die Beschreibungen der modernen Wissenschaft und der Geheimlehre gleichen."
Wir wissen auch, dass Albert Einstein sich sehr ausgiebig mit der Geheimlehre beschäftigt hat. Es heißt, er habe die Geheimlehre immer auf seinem Nachttisch liegen gehabt. Auch die Bücher von Fritjof Capra, Rupert Sheldrake und Marilyn Ferguson sind theosophisch inspiriert. So wie ja auch die einzelnen Gruppen und Aussagen der New-Age-Bewegung sich fast alle auf der Grundlage der theosophischen Lehre, die durch die Geheimlehre im Westen bekannt geworden ist, entwickelt haben.
Martha Wilkens