Was ist Theosophie?

Die Lehre der Theosophie ist keine neue Lehre, sondern uralte Weisheit. Der Name setzt sich zusammen aus theos = Gott und sophia = Weisheit. Er wurde im 3. Jh. n. Chr. von Ammonius Saccas zum ersten Mal gebraucht. Theosophie ist zeitlose Weisheit. Sie gibt den Bemühungen des Menschen, sich selber zu verstehen und auch die Welt, in der er sich bewegt, Sinn und Richtung. Theosophie liegt allen Religionen zugrunde. Sie selbst ist keine Religion, wie das Christentum oder der Islam, aber alle Religionen finden in ihr Platz. Sie lehrt, dass die Welt nicht blind und ohne Führung dahin treibt, sondern dass sich die Entwicklung einem göttlichen Plan gemäß vollzieht und dass das Universum von innen nach außen bewegt und geleitet wird. Es gibt in der Theosophie keine Vorstellung von einem persönlichen Gott und dessen Schöpfung, sondern Universen kommen und gehen als periodische Erscheinungen einer unveränderlichen, nicht materiellen Wirklichkeit. Es gibt eine fortschreitende Entwicklung von Welten und von Atomen ohne fassbaren Anfang und ohne vorstellbares Ende.

Ein theosophischer Kernssatz ist der von der Einheit allen Lebens. Das bedeutet, dass zwischen allem Lebendigen eine Wechselbeziehung besteht. Deshalb muss der Mensch in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen leben und Verantwortung für sein Handeln übernehmen. Ferner bedeutet die Einheit allen Lebens die Verbundenheit der Menschen untereinander über alle Weltanschauungen, politischen und rassischen Unterschiede hinweg, sowie auch die Verbundenheit des Menschen mit allen anderen Lebewesen auf der Erde. Auch Steine und Metalle enthalten eine Art von Bewusstsein und sind somit in gewissem Sinn lebendig. Insbesondere aber ist unter der Einheit allen Lebens die Verbundenheit des Menschen mit der Tier- und Pflanzenwelt zu verstehen.

Der Mensch nimmt eine besondere Stellung auf der Erde ein, denn er unterscheidet sich von allen Lebewesen dadurch, dass er beim Eintritt in das Menschenreich eine Individualität mit Selbstbewusstsein und Denkvermögen wird. Seitdem ist er für seine innere Entwicklung selbst verantwortlich.

Denken ist eine wirkliche und gewaltige Kraft. Jeder Gedanke verursacht eine Wirkung, eine Reaktion, die zum Positiven oder Negativen, zum Segen oder Schaden verwendet werden kann. Wir können nichts daran ändern, dass wir ständig auf andere Menschen einwirken und andere auf uns. Aber unsere Entscheidungsfreiheit erlaubt uns, unsere Gedanken positiv für uns selbst und unsere Mitwelt einzusetzen. Der Mensch bestimmt durch seine Gedanken, Gefühle und Handlungen sein Los, sein Glück oder Elend. Er bestimmt selbst durch die Art seiner Lebensführung sein Schicksal. Da er sich selbst seine Umgebung schafft, kann er sich auch nur selbst daraus befreien.

Der Tod verliert in der Theosophie seinen Schrecken, den er bei vielen Menschen auslöst. Alles Leben ist unsterblich. Wenn im Herbst der Baum seine Blätter verliert, so stirbt er nicht, sondern er ruht. Die Blätter werden nach und nach zu Erde und geben dem Baum wieder Nahrung für neue Entfaltung seiner Lebenskraft. Nichts anderes ist es auch beim Menschen. Der Tod ist nur ein Einschnitt im immerwährenden Leben. Er ist ein periodisch wiederkehrendes Ereignis in aufeinander folgenden Leben.

Theosophie lehrt, dass der Mensch Geist ist und sein Körper nur dessen Werkzeug. Beim Tod verlässt der Geist den Körper, die Form, damit das Leben, das darin gewohnt hat, später wieder einen neuen Körper erhalten kann, der frisch und unverbraucht ist. Bei einer neuen Geburt bringt der Mensch zwar meist keine Erinnerung an sein vorhergehendes Leben mit, doch er bringt als Anlage das mit, was er in den vorangegangenen Leben erworben hat und schreitet auf  diese Weise in seiner Entwicklung fort. Das Endziel ist die Vereinigung des noch bruchstückhaften menschlichen Bewusstseins mit dem universalen göttlichen Bewusstsein. Wenn der Mensch alle Gesetzmäßigkeiten erkannt hat und sich ihrer bewusst geworden ist, kann er zielgerichtet an sich arbeiten. Er weiß jetzt, dass nur er selber seines Glückes Schmied ist und versteht, dass jeder Mensch auf seiner ihm gemäßen Entwicklungsstufe steht. In dem Maß, wie das Verständnis für den Aufbau der Welt und auch für seinen Mitmenschen wächst, verringert sich für ihn die Bedeutung seines eigenen, persönlichen Ichs und er anerkennt die ihm gegebenen Möglichkeiten innerhalb der kosmischen Ordnung.


Auszug aus einem Vortrag von Gerda Höfer, eh. Generalssekretärin der TG Adyar in Deutschland e.V.

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